ulbricht
30 Jahre Kofo Essen
Über 100 Besucher*innen sind unserer Einladung gefolgt und feierten mit uns das 30jährige Jubiläum des Kofo Essen.
In diesen 30 Jahren hatten insgesamt 15.000 Menschen unsere Veranstaltungen besucht!
Moderatorin Katrin Müller hatte Akten studiert und so einige interessante Fakten gefunden. 230 Veranstaltungen waren es, die ein breites Themenspektrum boten.
Gemeinsam mit Moderator Ralf Kirchhoff führte sie locker und unterhaltsam durch das Bühnenprogramm. Der Tänzer Dodzi Dougban zeigte auf der Bühne einen Hip-Hop-Tanz mit ordentlicher Bass-Unterstützung, danach gab es einen nachdenklichen Poetry Slam Beitrag in Gebärdensprache von Carina Walter. In der Pause konnte man sich dann an einem reichhaltigen Buffet bedienen, die Ausstellung betrachten oder sich unterhalten.
Anschließend betrat der Präsident der Deutschen Gesellschaft, Bernd Schneider, die Bühne und gab einen kurzen Abriss über die Geschichte der Deutschen Gesellschaft der Hörbehinderten, die im Gründungsjahr 1962 noch „Deutsche Gesellschaft zur Förderung der Hör- und Sprachgeschädigten“ hieß. Als Dachverband der Bundesverbände der Hörbehinderten verfolgte die Gesellschaft zahlreiche wichtige Projekte. Die Anerkennung der Gebärdensprache, die Erstellung von Fachgebärdenlexika, die Gründung von Telesign und Tess sind nur einige davon. Aktuell geht es um den Unterricht im Wahlpflichtfach DGS durch gehörlose Lehrer, Barrierefreiheit auf allen Fernsehkanälen, Einsatz von Hauptamtlichen in den Vereinen, um ehrenamtliche Vorständler zu entlasten, Unabhängigkeit des Bundesteilhabegesetzes von Einkommen und Vermögen und noch vieles mehr. Ein weiterer Poetry Slam Beitrag von Adrian Becker und ein letzter Auftritt von Dodzi Dougban beendeten das Bühnenprogramm. Er motivierte das Publikum zum Mittanzen, anschließend gab es stehenden Applaus.
Moderation: Katrin Müller und Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Carina Kaul, Sabine Schlüß
Fotos: Royse Garcia, Ingo Langner
Gewaltfreie Kommunikation
Gabriele Pfeiffer
In ihrer Vorstellung beeindruckte Gabriele Pfeiffer das Publikum mit ihrem beruflichen Werdegang: Zunächst tätig als Zahntechnikerin, absolvierte sie später eine Ausbildung zur Gebärdensprachdozentin, dann zur systemischen Beraterin und schließlich zur Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation. Heute führt sie mit ihrem Sohn eine eigene Firma und ist hauptsächlich in der sozialpädagogischen Familienhilfe tätig: www. lemodema.de
Der heutige Vortrag gab einen Einblick in die theoretischen Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Eine Umsetzung braucht viel Zeit und Übung. Die Referentin erklärte das Konzept nach dem amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg. Er entwickelte 4 Schritte, die wichtig sind, um empathisch miteinander zu kommunizieren:
Beobachten – Gefühle benennen – Bedürfnisse benennen – Bitten formulieren.
Für das Training werden zwei Tiere als Modelle genutzt: die Giraffe steht für verständnisvolle Kommunikation, der Wolf für verletzende Kommunikation. Anhand von Beispielen erklärte die Referentin die Grundzüge einer guten Kommunikation.
In der lebendigen Diskussion kam zur Sprache, dass taube Menschen häufiger eine verletzende Kommunikation erleben, da Hörende wenig über ihre Kommunikationsbedürfnisse Bescheid wissen. Andererseits sind taube Menschen auch oft nicht in der Lage, ihre Bedürfnisse selbstbewusst zu äußern. Sehr kritisch äußerte sich die Referentin auch zur Kommunikation in den Sozialen Medien. Es gibt hier viele negative Formulierungen und provozierende Meldungen werden verstärkt. Der persönliche Kontakt ist immer wichtig.
Im nächsten Jahr wird Gabriele Pfeiffer einen Workshop zum Training der Gewaltfreien Kommunikation anbieten. Wer Interesse hat, kann sich hier informieren und anmelden: gfk@lemodema.de
Moderation: Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Mario Kaul, Sandra Bulat
Fotos: Royse Garcia
Ein tauber Marathonläufer schreibt Geschichte - Mein Weg zum 6. Stern
Thomas Eller (Essen)
Durch eine zufällige Begegnung mit einem hörenden Marathonläufer findet Tom seine neue Leidenschaft: 2018 startet er seinen ersten Marathon. 2019 sind es bereits 11 Läufe!
Tom berichtete auf dem Kofo sehr interessant und unterhaltsam über die Marathons durch große Städte wie z.B. New York, London, Paris, aber auch über schwierige Laufstrecken wie die Wüste in Jordanien, das grönländische Eis und die Schweizer Berge. An vielen Orten traf er interessante Menschen und setzte sich für Barrierefreiheit und Vielfalt ein. 2023 war es dann soweit: Nach erfolgreichen Läufen in London, Berlin, Chicago, Boston, New York und Tokio konnte er als erster tauber Läufer seinen ersten 6. Stern in Empfang nehmen – 2024 dann bereits seinen zweiten 6. Stern!
Natürlich war nicht alles einfach: Es gab die Corona-Pandemie, Tom musste jeweils Sonderurlaub beantragen, wenn die Läufe nicht in den Schulferien stattfanden – sein Schulleiter hat ihn unterstützt, trotzdem klappte es nicht immer.
Mit dieser unglaublichen Erfolgsgeschichte aber ist Tom Eller sicherlich ein Vorbild für viele taube Menschen: Wenn ihr einen Traum habt – lebt ihn. Oder bescheidener: Kommt einfach mal raus aus dem Trott – es lohnt sich!
Moderation: Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos: Royse Garcia
Reise nach Südkorea
Philipp Hergert (Berlin)
Zahlreiche Gäste, auch von weiter her, sind für diesen Vortrag angereist. Es war Valentinstag, und so beschrieb der Referent zuerst die Valentins-Gebräuche in Korea.
Er erklärte auch zu Beginn, dass es üblich sei, nur „Korea“ zu gebärden, wenn man Südkorea meint. Für Nordkorea gibt es eine eigene Gebärde.
Philipp war mit einem Working-Holiday-Visum nach Korea gereist, das er bei der koreanischen Botschaft in Berlin beantragt hat. Es gab zunächst Schwierigkeiten, weil der koreanische Gehörlosenverein ein Dokument falsch ausgefüllt hatte, am Ende wurde aber alles bewilligt und er konnte reisen. Die koreanische Kultur, geprägt von reichen Traditionen und Modernität, hat ihn sehr beeindruckt. Er berichtete von überraschenden Einrichtungen in der Großstadt Seoul (es gibt dort z.B. Sonnenschirme an Ampeln und Apparate zur Luftkühlung), angenehm überrascht hat ihn die Ehrlichkeit, es wird selten etwas gestohlen.
Ausführlich berichtete Philipp über Organisation und Arbeit des koreanischen Gehörlosenverbandes (Korea Association of the Deaf), der 2023 auch verantwortlich war für die Organisation des WFD Kongresses in Jeju/Südkorea. Philipp selbst nahm ebenfalls als Mitarbeiter am Kongress teil.
Zuletzt nannte er noch einige Tipps, die für eine Reise nach Korea hilfreich sind – so z.B. funktioniert google map dort nicht, Trinkgeld ist unbekannt, überall gibt es Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen und Rauchen ist bis auf wenige Bereiche verboten.
In der lebhaften Diskussion wurden noch einige interessante Fragen gestellt und Ergänzungen zum Vortrag genannt.
Moderation: Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos: Royse Garcia
Regenbogentränen - Was tun bei Tod und Trauer?
Swantje Marks und Claudia Herb-Igersky (Berlin)
Swantje Marks und Jenny Herb-Igersky (sie war spontan für die erkrankte Claudia eingesprungen) berichteten über den Umgang mit Tod und Trauer.
Wenn man selbst betroffen ist und eine nahe Person gestorben ist, weiß man nicht, wie man damit umgehen soll. Auch wenn eine Freundin oder ein Freund trauert, ist man unsicher, wie man sich richtig verhalten soll. Der Tod gehört zum Leben, ist aber in unserem Kulturkreis mit einem Tabu belegt. Inhalte des Vortrags waren auch die Phasen der Trauer, der richtige Umgang mit sich selbst und trauernden Menschen und die Rolle der Gebärdensprachgemeinschaft. Zum Schluss empfahlen die Referentinnen Bücher und Filme zum Thema.
Swantje trug frei vor und erklärte wichtige Inhalte anhand vieler Beispiele aus eigener Erfahrung. Auch Jenny bereicherte den Vortrag mit eigenen Erlebnissen. Immer wieder wurde auch das Publikum einbezogen. Die anschließende Diskussion verlief anregend, die Teilnehmenden berichteten auch von sehr persönlichen Erfahrungen. Bedauert wurde, dass es hier im Umkreis keine Selbsthilfegruppe für trauernde taube Menschen gibt.
Moderation: Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen: Sandra Lintz-Naumann, Silke Heuser
Schriftdolmetschen: Mario Kaul, Sandra Bulat
Black Lives Matter - Warum politischer Protest für alle wichtig ist
Matthew Harrison (Konstrukteur)
Der Veranstaltungsraum war gut gefüllt- sehr großes Interesse am Thema hatten vor allem junge Menschen. Matthew Harrison erklärte zuerst die Bedeutung von Rassismus für Schwarze Menschen und beschrieb die Entstehung der Black Lives Matter (BLM) Bewegung in den USA. Anschließend erklärte er an konkreten Beispielen, wie auch in Europa Schwarze Menschen diskriminiert werden. Der Referent beschrieb auch seine Erfahrungen in der Gemeinschaft tauber Menschen. Politischer Protest ist wichtig, aber sollte nicht nur von der betroffenen Gruppe ausgeführt werden. In einer entwickelten Gesellschaft sind wir alle verantwortlich.
Moderation: Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Soziale Medien - Einfluss auf die Psyche
Antonia Ricke (Psychologin)
An diesem Abend hatten wir „volles Haus“- Über 60 Besucherinnen und Besucher interessierten sich für dieses Thema. Kein Wunder: Die meisten von uns sind in den sozialen Medien aktiv. Viele verbringen damit täglich mehrere Stunden. Was macht das mit uns? Haben die sozialen Medien einen Einfluss auf unsere Psyche? Oder liegt es an unserem Nutzungsverhalten?
Antonia fragte zu Beginn das Publikum: Sind Soziale Medien eher positiv oder eher negativ? Die meisten antworteten mit dem Daumen nach oben – also positiv.
Klar – Soziale Medien sind besonders für hörbehinderte Menschen vorteilhaft. Man kann schnell Informationen bekommen, man ist dadurch selbstständig und unabhängig, man fühlt sich verbunden mit einer Gruppe, man kann Gebärdenvideos schauen.
Soziale Medien haben aber auch viele Nachteile: Dahinter stecken Firmen mit ihrem Marketing, sie wollen, dass man viel Zeit am Bildschirm verbringt. Es gibt Belohnungen (Likes), Kurzvideos (Reels) die abhängig machen können. Ein neues Wort ist FOMO (Fear Of Missing Out): Man hat Angst, etwas zu verpassen. Dagegen steht das Wort JOMO (Joy Of Missing Out): Man freut sich, wenn man etwas verpasst, weil man dann mehr Zeit für wichtige Dinge hat, z.B. Freunde persönlich treffen. Negativ ist auch die Dauerbeobachtung und der ständige Vergleich mit anderen. Das kann zu Einsamkeit und Depression führen.
Die Referentin rät zu einer bewussten Nutzung: z.B. negative Kontakte löschen („entfolgen“), die Handy-Zeit reduzieren, besser aktiv in Gruppen gehen und dort Kontakt halten. Sich fokussieren: Soziale Medien auf der Arbeit / bei wichtigen Terminen aus- oder stummschalten.
Moderation: Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Mario Kaul, Cornelia Krajewski
Fotos: Royse Garcia
Queer leben - im Nationalsozialismus und heute
Matthias Reinhardt (Student)
Wie lebten homosexuelle Menschen in der NS-Zeit? Welche Verfolgungen mussten sie erleiden? Was ist der Paragraf 175 und wie lange hat man damit Menschen damit kriminalisiert? Hat sich die Situation nach dem 2. Weltkrieg in BRD und DDR für queere Menschen verbessert?
Matthias Reinhardt hielt seinen sehr umfangreichen Vortrag vor einem interessierten Publikum, auch jüngere Bewohner*innen des Internates waren darunter. Für viele Details hätte man sich aber mehr Zeit gewünscht.
In der anschließenden Diskussion haben Besucherinnen und Besucher noch zahlreiche Beiträge gebracht, die schwerpunktmäßig die heutige Situation queerer Menschen betrafen.
Moderation: Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Mario Kaul, Ulrike Kretzer
Fotos: Kofoteam
Die große Wende voraus - Klimakrise im 21. Jahrhundert
Robert Jasko (Geowissenschaftler und Wissenschaftskommunikator)
Neben vielen aktuellen Krisen und Konflikten gerät die Klima-Krise schnell in Vergessenheit. Es ist aber die Krise mit den weitreichendsten Folgen für unser Leben auf diesem Planeten.
Robert Jasko erklärte eindringlich die Situation und die Folgen. Eindrucksvolle Schaubilder zeigten z.B. die Erhöhung der Temperaturen – besonders in der Nordhalbkugel. Der Anstieg des Meeresspiegels hat auch Auswirkungen auf die Metropolen, die Erderwärmung führt zu Naturkatastrophen und weiteren Folgen: Menschen fliehen aus unwirtlichen Regionen.
Kann das 2-Grad-Ziel von Paris (2015) noch erreicht werden? Auch diese Erwärmung ist zu hoch. Der weltweite CO2-Ausstoß muss bis 2040 auf 0% gesenkt werden. Deutschland hat bereits viel Zeit verloren, jetzt sind sofortige radikale Einschnitte nötig. Denn wenn sogenannte Kipp-Punkte erreicht werden, kann man nichts mehr steuern. Die nächsten 10 Jahre sind also entscheidend für die folgenden 10.000 Jahre.
Robert Jasko hat das Ausmaß und Dringlichkeit deutlich gemacht. Der Vortrag war sehr interessant, aber auch umfangreich. Unsere Dolmetscherinnen waren aber bereit, etwas zu überziehen, sodass doch noch mehrere Fragen aus dem Publikum gestellt werden konnten.
Moderation: Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen:
Sandra Bulat, Cornelia Krajewski
Fotos:
Royse Garcia
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