Jahrgang 2022
2022
Dolmetschkosten für gehörlose und hörbehinderte Menschen – Wer zahlt?
Thomas Worseck
Gehörlose und hörbehinderte Menschen sind in der Kommunikation mit Hörenden meist auf Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher*innen angewiesen. Häufig herrscht Unklarheit, wer diese Kosten übernehmen muss, denn es gibt dazu unterschiedliche Landes- und Bundesgesetze. Thomas Worseck führte das Publikum durch den Dschungel der Paragrafen und gab zahlreiche Tipps für die Beantragung.
Leider werden in NRW die EUTB für gehörlose Menschen im nächsten Jahr nicht mehr weitergeführt, das ist sehr schade – sie konnten hier erfolgreich beraten. Der Referent gab seine E-Mailadresse für Nachfragen bekannt: mail at worseck.eu
Moderation:
Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Cornelia Krajewski
Fotos:
Royse Garcia
Depression
Sandro-Mirko Dabelstein (Gebärdensprachdozent)
Trotz Einschränkungen durch die Corona-Pandemie (Anmeldung erforderlich und Beschränkung der Besucherzahl) konnten wir zahlreiche Besucherinnen und Besucher begrüßen. Das zeigt, dass das Thema von großem Interesse ist. Sandro litt vor einigen Jahren selbst an Depression und berichtete als Betroffener von den Ursachen und Symptomen dieser Krankheit und dem Einfluss der Gesellschaft. Zu Beginn stellte er deshalb klar, dass er nicht aus medizinischer Sicht referieren wird. Wichtig war ihm: Wie können wir andere Menschen mit dieser Erkrankung besser verstehen? Welches Verhalten ist hilfreich und was wirkt eher negativ? Eine ärztliche oder psychologische Therapie lehnte Sandro für sich ab, empfahl aber eine Diagnose durch einen Facharzt.
In der Diskussion wurde festgestellt, dass es viel zu wenige taube Psychologinnen und Psychologen gibt, die sich in die besondere Situation eines gehörlosen Menschen hineinfühlen können. Auch wurde bedauert, dass es bisher keine Selbsthilfegruppe tauber Menschen für diese Krankheit gibt. Eine Psychologin des Internats für Hörgeschädigte empfahl, auf jeden Fall eine Beratung aufzusuchen.
Moderation: Katrin Müller Gebärdensprachdolmetschen: Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann
Schriftdolmetschen: Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Studium und Hörbehinderung
Laura Prokop, Michael Rogachevsky, Johannes Behr
Trotz Corona-Beschränkungen konnten wir ca. 50 meist junge Besucherinnen und Besucher begrüßen, einige auch in Begleitung ihrer Eltern. Darüber freuten wir uns sehr, denn ein solches Publikum hatten wir uns für diese Veranstaltung gewünscht. Unser letztes Kofo zum Thema Studium fand 2006 statt – in der Zwischenzeit hat sich einiges für hörbehinderte Studierende verbessert – aber immer noch haben sie mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es ist deshalb gut, wenn man sich schon vor Beginn eines Studiums darauf vorbereiten kann.
Drei Studierende mit unterschiedlichen Hörbehinderungen und Studienfächern berichteten über ihre Erfahrungen und gaben Tipps für einen guten Start ins Studium, hier nur eine kurze Zusammenfassung ihrer wichtigsten Empfehlungen:
- Man muss starkes Interesse am Studienfach haben, dann hat man auch die Motivation und das Durchhaltevermögen, um schwierige Situationen zu meistern.
- Ein selbstbewusster, offener Umgang mit der Hörbehinderung gehört auch zu den Voraussetzungen für ein erfolgreiches Studium.
- Wenn man mit Freunden gemeinsam studiert, kann man sich über Erfahrungen austauschen und fühlt sich nicht isoliert. Auch eine aktive Freizeitgestaltung – Sport, Kultur oder private Treffen – kann das Studium erleichtern.
- Man sollte auch davon ausgehen, dass ein Studium ohne entsprechende Hilfen (Dolmetscher und/oder technische Hilfen) kaum zu schaffen ist.
- Das erste Semester ist oft das schwierigste. Man muss sich an der Hochschule orientieren, mit Technik und Dolmetschenden klarkommen, Kontakte knüpfen. Das ist aber kein Grund, aufzugeben. Denn die Erfahrung zeigt: Danach wird es leichter.
Ganz praktisch beginnt die Vorbereitung mit zahlreichen Anträgen:
- Mit einem Härtefallantrag (HNO-Ärztin bescheinigt z.B. die Gehörlosigkeit) wird man bei der Wahl des Studienortes bevorzugt. Auf dem Portal hochschulstart.de kann man sich bewerben.
- Den BAföG-Antrag stellt man am besten digital – online-Anträge werden schneller bearbeitet.
- An der Hochschule wendet man sich zuerst an den/die Behindertenbeauftragte. Man kann dort Unterstützung bei der Dolmetschersuche und -Finanzierung bekommen und einen Antrag auf Nachteilsausgleiche (z.B. Zeitverlängerung, Nichtberücksichtigung von Grammatik- und Rechtschreibfehlern) stellen.
Nach den sehr informativen Vorträgen konnten im persönlichen Gespräch in der Pause und während der anschließenden Diskussion noch zahlreiche Fragen gestellt werden.
Moderation:
Michael Mees
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Cornelia Krajewski
Fotos:
Kofo-Team
Politische Repression in der Sowjetunion – der schwarze Tag für die taube Gemeinschaft
Roman Poryadin
(Vermessungstechniker, tauber Gebärdensprachdolmetscher)
Roman berichtete mit zahlreichen Fotos über ein Ereignis im Jahr 1937 in seiner Heimatstadt St. Petersburg (früher Leningrad / Sowjetunion).Während des stalin‘schen Terrors wurden auch 54 taube Personen inhaftiert, 35 von ihnen erhielten die Todesstrafe.
Lange Zeit wurde über diese Vorfälle geschwiegen, auch seine Großmutter, die selbst verhaftet worden war, erzählte ihm nichts. Von seinem Vater erfuhr er nur wenig – daraufhin recherchierte Roman im Internet und stieß auf die Veröffentlichungen von David Ginzburgsky, der diese Vorfälle aufgedeckt hat.
Interessant war auch die Tatsache, dass es noch in den 30er Jahren eine enge Verbindung zwischen deutschen und russischen tauben Personen gab. Der Leningrader Gehörlosenverein hatte 6000 Mitglieder und führte ein großes Gehörlosenzentrum mit Theater, Festräumen und Schlafsälen. Häufig waren deutsche Gäste zu Besuch.
So flüchtete auch Albert Blum, ein taubes KPD-Mitglied, vor den Verfolgungen nach dem Reichstagsbrand 1933 nach Leningrad – und die Geschichte, die Roman ausführlich recherchierte, nahm ihren Lauf….
Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Lintz-Naumann (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Cornelia Krajewski
Fotos:
Royse Garcia
Vorsorgen für den Ernstfall – Was tun? Der Notfallordner
Dirk R. Schuchardt
(Diplom-Verwaltungswirt, Duisburg)
Dirk R. Schuchardt ist ein “alter Hase” auf dem Essener Kofo – schon seit 2003 referiert er hier regelmäßig. Zu seinem heutigen Vortrag kamen trotz strenger Corona-Regeln 30 interessierte Gäste unterschiedlichen Alters. Der Referent betonte, dass dieses Thema für alle ab 18 Jahren wichtig ist – denn jeder muss damit rechnen, einen Unfall oder eine schwere Krankheit zu erleiden. Wie kommen Angehörige oder Ärzte dann schnell an die wichtigsten Unterlagen?
In seiner gewohnt verständlichen und unterhaltsamen Art gab Dirk R. Schuchardt Anleitungen für einen Notfallordner. Neben anderen Tipps empfahl er auch eine „Notfalldose“ für den Kühlschrank, die man in Apotheken erwerben kann: www.notfalldose.de
Der Referent hat uns seine Vortragsfolien zur Verfügung gestellt. Wer hier noch einmal nachschauen möchte:
Der Notfallordner
Hier noch einige nützliche Links, die Dirk Schuchardt während des Vortrags nannte:
Den Vortrag gibts in Kurzform auf youtube (mit youtube-Untertiteln)
Vorsorgevollmacht: Es ist hilfreich, wenn man diese wichtige Vollmacht beglaubigen lässt. Man muss dafür nicht zum Notar und viel Geld bezahlen. Die Betreuungsstelle des Gesundheitsamtes Essen z.B. beglaubigt die Unterschrift für 10 Euro: https://www.essen.de/leben/gesundheit/betreuungsstelle.de.html
Dirk R. Schuchardt hat zum Vortragsthema eine Broschüre geschrieben, die über die Gewerkschaft verdi vertrieben wird. Die darin enthaltenen Formulare für den Notfallordner kann man hier kostenlos herunterladen: www.vorsorge.verdi.de und auch die Broschüre bestellen.
Moderation:
Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Wolfien (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Ulrike Kretzer
Fotos:
Kofo-Team