ulbricht
Insekten- und Bienensterben – Alarm für die Umwelt
Dirk Rohwedder
(Entomologe, Zoologisches Forschungsmuseum Koenig, Bonn)

Dirk Rohwedder gab zuerst einen Überblick über die Vielfalt der Pflanzen und Lebewesen: Heute sind ca. 2 Millionen Pflanzen- und Tierarten bekannt, davon sind die Hälfte Insekten. Es gibt aber mindestens 10x so viele Arten, die wir noch nicht kennen. Die meisten davon leben in den tropischen Regenwäldern, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit abgeholzt werden.
Der Referent erklärte dann die Arbeit eines Insektenforschers (Entomologen). Er sammelt Insekten mit verschiedenen Methoden und kann so ihr Vorkommen und die Menge erfassen. Er untersucht die DNA, analysiert und veröffentlicht die Ergebnisse. Auch Amateur-Insektenforscher können wissenschaftliche Arbeit unterstützen.
Man hat in bestimmten Gebieten festgestellt, dass es innerhalb der letzten 30 Jahre dramatische Veränderungen gibt: 75% weniger Biomasse bei Fluginsekten!
Die wichtigsten Ursachen sind:
Gifte in der Landwirtschaft (z.B. das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat bewirkt, dass sich Insekten nicht fortpflanzen können), Monokulturen, Klimawandel, Lichtverschmutzung und Bodenversiegelung.
Was kann man dagegen tun? Wissenschaftler haben einen 9-Punkte-Plan (Kurzfassung) gegen das Insektensterben erstellt. Jeder kann etwas dazu beitragen: z.B. Produkte aus ökologischer Landwirtschaft kaufen, im eigenen Garten Unkraut stehen lassen, einheimische Pflanzen statt exotischer Pflanzen einsetzen, Wildbienen unterstützen, z.B. durch Nistanlagen.
Die Politik muss strengere Gesetze zur Zulassung und zum Einsatz von Pestiziden erlassen. Ökologischer Landbau muss mehr gefördert werden. Auch in der Stadt müssen mehr heimische Pflanzen blühen. Licht mit hohem Blauanteil zieht viele Insekten an, besser ist schwächeres Licht mit wenig Blauanteil.
Dirk Rohwedder war der Bereich Bildung besonders wichtig: In den Schulen – natürlich auch in den Schulen für Hören und Kommunikation – muss mehr Kenntnis über die Bedeutung der Insekten im Ökosystem vermittelt werden.
Zum Schluss brachte er die Zuschauer ins Nachdenken: Wem gehört die Erde?
Es war ein sehr interessanter Vortrag, der viele neue Informationen brachte. Für Interessierte verteilte Dirk den 9-Punkte-Plan gegen das Insektensterben in ausführlicher Form. Hier haben wir ihn verlinkt:

Moderation:
Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sandra Wolfien (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Conny Krajewski
Fotos:
Ingo Langner

Psychotherapeutische Angebote für hörbehinderte Menschen in Essen und Umgebung
Dr. Mona Abdel-Hamid (Psychologische Psychotherapeutin am LVR-Klinikum Essen),
Jennifer Söhn (Systemische Therapeutin am Alexianer Krankenhaus Krefeld)

Der große Andrang an diesem Kofoabend zeigte, wie wichtig dieses Thema für viele Menschen in Essen und Umgebung ist.
Als erste Referentin nannte Dr. Mona Abdel-Hamid Untersuchungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass hörbehinderte Menschen häufiger von psychischen Störungen betroffen sind. Gleichzeitig haben sie aufgrund von Kommunikationsbarrieren größere Schwierigkeiten, therapeutische Hilfe zu bekommen. Es gibt aber auch schützende Faktoren: Menschen mit hohen Widerstandsressourcen können krankmachende Einflüsse besser bewältigen. Wichtig ist dabei auch das Vertrauen in die eigene Kraft und in die Umwelt. Wenn man nach vorne schaut und nach neuen Handlungsmöglichkeiten sucht, kann man sich gut anpassen und negative Erfahrungen verarbeiten.
Die Förderung von Ressourcen ist auch ein Schwerpunkt der therapeutischen Arbeit am Alexianer Krankenhaus in Krefeld. Jennifer Söhn arbeitet dort als systemische Therapeutin. Am Zentrum für Psychotraumatologie können gehörlose Rehabilitanden stationär oder teilstationär betreut werden. Frau Söhn und Frau von der Ruhen (Psychologin) sind beide gebärdensprachkompetent. Für Gespräche mit weiteren Therapeuten wird VerbaVoice (Online-Dolmetschdienst) beauftragt. Schwerpunkt ist die Bewältigung von Traumata. Ziele der Behandlung sind neben der Verbesserung im Umgang mit Ängsten, Schuldgefühlen etc. auch die Förderung der Teilhabe im Beruf und im familiären Bereich. Vor der Entlassung wird der Entlassbrief ausführlich mit den Rehabilitanden besprochen und die Nachsorge geplant.
In der anschließenden Diskussion wurde nach Bedeutung und Aufgabe der PITCH-Sprechstunde gefragt. Frau Abdel-Hamid erklärte, dass es sich um eine Spezialsprechstunde für hörbehinderte Menschen handelt, die jetzt auch am LVR-Klinikum in Essen eingerichtet wird. (PITCH = Spezialsprechstunde für PatientInnen mit Taubheit und anderer chronischer Hörminderung)
Mehrere Personen aus dem Publikum fragten nach einer psychotherapeutischen Behandlungsmöglichkeit für Kinder und Jugendliche in Essen und Umgebung. Leider gibt es für diesen Personenkreis hier noch keine Beratungs- und Behandlungsmöglichkeit. Die PITCH-Sprechstunde richtet sich nur an volljährige Personen, ebenso das Angebot des Krefelder Krankenhauses. Wer als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut arbeiten möchte, braucht eine Zusatzausbildung. Es wurde vorgeschlagen, unter den Studierenden Werbung für die Arbeit mit hörbehinderten Kindern und Jugendlichen zu machen.
Kontakt: j.soehn@alexianer.de; mona.abdel-hamid@lvr.de

Moderation:
Michael Mees
Gebärdensprachdolmetschen:
Bastienne Blatz, Sabrina Zelder (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Ulrike Kretzer
Fotos:
Ingo Langner

Rechtsextreme Gruppen in NRW
Nina Bramkamp, Marat Trusov
(Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Düsseldorf c/o Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz)

Seit 2008 gibt es in NRW mobile Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus. Für den Regierungsbezirk Düsseldorf ist es die Wuppertaler Inititative für Demokratie und Toleranz. Die mobilen Beratungsstellen informieren über rechtsextreme Gruppen und Parteien, beraten Betroffene und vermitteln Hilfen.
Wir wollten wissen, welche rechtsextreme Gruppen und Parteien in NRW aktiv sind. Marat Trusov erklärte ausführlich die Ziele und Aktionen von Gruppen (z.B. Identitäre Bewegung, Pegida, Hooligan-Gruppen wie die HoGeSa – Hooligans gegen Salafisten) und von Parteien (z.B. AfD, die Rechte, Bürgerbewegung Pro Deutschland, der III.Weg). Aus verbotenen Gruppen wie der DVU sind neue Gruppen und Parteien wie Die Rechte entstanden.
Sie schüren Ängste (vor Flüchtlingen, vor „Überfremdung“), setzen Feindbilder (z.B. Muslime, aber auch Juden), sehen sich als Opfer von Verschwörungen, der Medien oder der Regierung. Marat Trusov zeigte Plakate von rechtsextremen Parteien, die ihre Menschenverachtung deutlich machen.
Nicht alle Gruppen sind offen rechtsextrem. Die Identitäre Bewegung gibt sich modern. Alle Völker sollen ihre Kultur leben (“Ethnopluralismus”) – aber bitte dort, wo sie ursprünglich herkommen. Wie die Kulturen-Trennung in einem Einwanderungskontinent wie Europa passieren soll, sagen sie nicht.
Nina Bramkamp stellte die Arbeit der Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus vor. In allen 5 NRW-Regierungsbezirken gibt es eine Beratungsstelle. Die Beratung ist für alle: Einzelpersonen, Jugendgruppen, Vereine, Glaubensgemeinschaften, Schulen, Gewerkschaften, Migranten-Selbsthilfegruppen.
- Sie helfen in konkreten Fällen und geben Unterstützung für eine dauerhafte Arbeit.
- Sie sind Teil eines Netzwerks und können Betroffene an eine Opferberatung, Ausstiegsberatung, ein Antidiskriminierungsbüro o.a. vermitteln.
- Sie erstellen Broschüren, die man über die Website kostenlos erhalten kann.
In der Diskussion berichteten mehrere Mitglieder einer Migrantengruppe über ihre Erfahrungen hier in Deutschland. Eine Zusammenarbeit zwischen der Beratungsstelle und der Selbsthilfegruppe ist wünschenswert. Unsere Referenten gaben u.a. auch Tipps, wie man sich gegenüber Rechtsextremen verhalten kann. Es war ein wichtiger und sehr informativer Abend, für den wir uns bei allen Beteiligten – Referenten und Diskussionsteilnehmern – bedanken.
Website der Beratungsstelle im RP Düsseldorf:

Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Magdalena Meisen, Lisa Fürstenberg (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Mario Kaul, Stefan Lange
Fotos:
Ingo Langner

Die AfD – eine kritische Betrachtung
Iris Meinhardt (Politologin, München)

Iris Meinhardt ist Politikwissenschaftlerin, ihr Studium in München hat sie vor Kurzem beendet. Sie hat sich dabei auch intensiv mit der Partei AfD (Alternative für Deutschland) beschäftigt, die seit 2017 auch im Bundestag vertreten ist.
In ihrem Kofo-Vortrag erklärte sie zunächst die Bedeutung von Parteien für unser politisches System.
Parteien sind wichtig für das Funktionieren von Demokratie, weil sie Interessen bündeln und Lösungsvorschläge machen. Jeder kann eine Partei gründen, wenn man das Grundgesetz beachtet.
Die AfD wird auch als „rechtspopulistisch“ und „rechtsextrem“ bezeichnet. Die Partei selbst lehnt diese Zuschreibung ab. Es gibt aber wissenschaftliche Beschreibungen, z.B. für Populismus:
Populistisch sind Parteien, wenn sie
- einfache Erklärungen für komplizierte Probleme bieten
- Feindbilder setzen (das „hart arbeitende Volk“ gegen „die da Oben“ oder gegen Migranten)
- Minderheiten die Schuld an allem Möglichen geben
- Angst und Hass provozieren.
Rechtsextrem sind Personen oder Gruppen, die das Grundgesetz ablehnen, auch zu Gewalt bereit sind, antisemitisch und rassistisch denken und handeln.
Ausführlich beschrieb die Referentin Entstehung, Entwicklung und Inhalte der AfD, hier nur in Kürze:
Die AfD wurde 2013 durch den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke als „Alternative“ zum Eurorettungskurs der EU gegründet. Als 2014 die Pegida-Bewegung entstand, verschoben sich auch in der AfD die Mehrheitsverhältnisse. Das Thema „Islam“ rückte in den Mittelpunkt und der rechtsradikale Björn Höcke verbündete sich mit Frauke Petry. Bernd Lucke verließ 2015 mit einem wirtschaftsliberalen Flügel die Partei und gründete eine neue Partei (Allianz für Fortschritt und Aufbruch – ALFA). Nach der Bundestagswahl 2017 verließ auch Frauke Petry die Partei. Mit 12,6% der Stimmen wurde die AfD die drittstärkste Kraft im Bundestag.
Die Wähleranalyse zeigt: Mehr Männer als Frauen, mehr Ostdeutsche als Westdeutsche, vor allem Menschen mit Mittlerer Reife, vor allem Menschen zwischen 30 und 59 und frühere Nichtwähler haben die AfD gewählt. Nach Meinung der Forschungsgruppe Wahlen haben die meisten Wähler die AfD aus Protest gegen die Regierungspolitik gewählt, die Flüchtlingspolitik war der große Aufreger.
Anschließend ging es um die politischen Inhalte: Was sagt die AfD zu den Themen Medien, Asyl und Islam, Europäische Union, Familienpolitik und Behinderung?
Als Beispiel für die Haltung der AfD zu behinderten Menschen nannte Iris Meinhardt die Kleine Anfrage der AfD im März 2018 im Bundestag: Die AfD wollte von der Bundesregierung wissen, wie sich die Zahl der Behinderten in Deutschland seit 2012 entwickelt hat, besonders „durch Heirat innerhalb der Familie“ – und wie viele dieser Fälle einen Migrationshintergrund hätten. Diese Verknüpfung von Behinderung mit Inzest und Zuwanderung löste breite Empörung aus. Die AfD ist auch gegen Inklusion und für besondere Beschulung behinderter Menschen. Angeblich wegen der besseren Förderung dort, aber im Grunde handelt es sich um Aussonderung, denn „Teilhabe“ an der Gesellschaft ist nicht vorgesehen.
In der anschließenden Diskussion gab die Referentin Empfehlungen zur politischen Information: Bundeszentrale für politische Bildung: www.bpb.de; Jugendmagazin der Bundeszentrale: fluter http://www.bpb.de/shop/zeitschriften/fluter/
Der Vortrag war sehr fundiert, kritisch und informativ. Wir hätten uns für dieses wichtige Thema aber mehr Zuschauer gewünscht.
Anmerkung: In diesem Video wird der Begriff „Populismus“ anschaulich erklärt.

Moderation:
Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Magdalena Meisen, Sandra Wolfien (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Ulrike Kretzer, Stefan Lange
Fotos:
Ingo Langner

Ein Jahr in Mexiko!
Linda Hemmetzberger

Linda berichtete vor ca. 50 interessierten ZuschauerInnen über ihren Aufenthalt in Mexiko 2015/16. Sie nahm teil an dem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst “weltwärts”, ihre Entsendeorganisation war bezev (Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit e.V.). Bereits mehrere hörbehinderte junge Menschen haben in Ländern Afrikas und Lateinamerikas wertvolle Erfahrungen gesammelt und darüber auch auf dem Kofo berichtet.
Linda erklärte zunächst den Begriff der “Permakultur”, ein Denkprinzip, für das sie sich sehr interessiert und ihre Entscheidung für Mexiko beeinflusst hat. Nachhaltige Entwicklung im Einklang mit den Ökosystemen der Natur ist der Biologiestudentin wichtig.
Ihr Einsatzort in Mexiko war ein Rehazentrum für hörbehinderte Kinder in Oaxaca im Süden des Landes. Dort arbeitete sie im Kindergarten. Sie hatte aber auch Gelegenheit, die unterschiedlichen Kulturen in Mexiko kennen zu lernen, Städte und Sehenswürdigkeiten zu besuchen und viel über die Situation hörgeschädigter Menschen zu erfahren. Gehörlose in den Dörfern werden dort immer noch von ihren Familien versteckt, es gibt wenig Treffmöglichkeiten – Fahrtkosten und die häufige Arbeit am Wochenende in der Landwirtschaft erschweren die Kontakte. Jetzt gibt es zwar eine erste Klasse mit gehörlosen Abiturienten, aber die Studienmöglichkeiten im Land sind schwierig. Einige wenige Gehörlose haben in den USA studiert und sind dann zurück gekommen, um die Lebenssituation gehörloser Menschen in Mexiko zu verbessern.
Im Anschluss an den sehr interessanten Vortrag gab es viele Fragen, die die Referentin kompetent beantwortete. Zum Schluss bat sie mit einem Videofilm um Spenden für eine gehörlose junge Frau, die über das Welthaus Bielefeld zurzeit in Oaxaca ist. 25% der Kosten müssen Teilnehmer über Spenden hereinholen. Die Spendenkasse des Kofoabends ging an diese Teilnehmerin.

Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Magdalena Meisen, Bastienne Blatz (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos:
Ingo Langner

Leben mit Taubblindheit und Taubblindenassistenz
Claudia Preißner, Kornelia Szypula, Wolfgang Biermanski

Zu diesem Kofo konnten wir mehrere taubblinde Gäste mit ihren Assistenten begrüßen. Auch zahlreiche Jugendliche waren erschienen, um sich über dieses Thema zu informieren.
Den ersten Teil des Vortrags übernahmen Claudia Preißner und Kornelia Szypula. Sie berichteten, dass in NRW ca. 1900 taubblinde Personen oder Personen mit starker Hörsehbehinderung wohnen, ihnen stehen bisher 95 Taubblinden-Assistenten zur Verfügung. Die meisten von ihnen üben diese Tätigkeit nebenberuflich aus, sodass sie nur mit geringer Stundenzahl eingesetzt werden können. Es besteht also ein großer Bedarf. Viele Taubblinde leben ohne Taubblindenassistenz in großer Isolation und kennen ihre Rechte nicht.
Die Referentinnen erklärten Ursachen, Formen und Folgen von Taubblindheit. Bei erworbener Taubblindheit unterscheidet man zwischen gebärdensprachlich und lautsprachlich aufgewachsenen Taubblinden. Taubblinde unterscheiden sich also stark in ihren kommunikativen Bedürfnissen. Deshalb ist die Ausbildung zum/zur TaubblindenassistentIn anspruchsvoll: Unterrichtet werden Kenntnisse in DGS, taktilen Gebärden, Lormen, Brailleschrift, Mobilität sowie medizinisches, rechtliches und psychologisches Hintergrundwissen. Dies wird an 10 Wochenenden, einer Blockwoche Unterricht, wöchentlichem DGS-Unterricht und Praktika vermittelt.
Anschließend berichtete Wolfgang Biermanski sehr anschaulich über sein Leben als Taubblinder. Er ist von Geburt an blind und verlor als Jugendlicher 90% seines Gehörs. Dadurch litt er sehr unter Kontaktarmut. Seine Lebenskrise überwand er mit Hilfe einer Psychotherapeutin. Er erhielt den Hinweis auf eine Selbsthilfegruppe, die für ihn in dieser Situation sehr wertvoll war. Er wollte nicht als „Besenbinder“ enden, sondern engagierte sich in der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL), in der SPD, nahm an Radtouren teil, war aktiv dabei beim Kanalfest am Rhein-Herne-Kanal 2017 und beim Selbsthilfetag in Herne, war beteiligt an der Überprüfung des Landtags NRW auf Barrierefreiheit und sprach mit Politikern wie Martin Schulz und Andrea Nahles. Damit sind nur einige seiner Aktivitäten genannt. Die Beteiligung in einer Selbsthilfegruppe und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Assistenten sind Tipps, die er allen Betroffenen geben möchte.
In der Pause konnten die Besucher Hörsehbehinderung und Taubblindheit mit speziellen Brillen und Gehörschutz simulieren.
Informationen über Taubblindheit: Flyer Taubblindheit Informationen zur TBA-Qualifizierung:Info TBA-Qualifizierung
Weitere Fragen werden gerne beantwortet: info@taubblindenassistenz.de

Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Magdalena Meisen, Bastienne Blatz (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos:
Ingo Langner
TBA-Assistenz:
Falk Rollmann

Schlaganfall
Dr. Oliver Kastrup
(Leitender Arzt der Neurologie, Kath. Klinikum Essen)

In Deutschland erleben jedes Jahr ca. 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Auch jüngere Menschen kann es treffen. Deshalb hatten wir mit Dr. Oliver Kastrup einen Fachmann eingeladen, der uns durch das Regionale Schlaganfall-Büro Ruhr empfohlen wurde. Es gelang ihm, komplizierte medizinische Zusammenhänge und Fachbegriffe sehr verständlich zu erklären.
Ein Schlaganfall ist eine Mangeldurchblutung des Gehirns und muss schnell behandelt werden. Deshalb ist es wichtig, die Symptome zu erkennen: Plötzliche einseitige Sehstörung, akute Sprachstörung, Lähmung und plötzliche Gangstörung können Anzeichen eines Schlaganfalls sein.
Als Ursachen nannte der Referent: Gerinnselbildung aus dem Herzen oder durch verkalkende Gefäßwände der Halsschlagader, Verschluss von Gehirngefäßen.
Als Risikofaktoren gelten: Rauchen, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit
Die Folgen eines Schlaganfalls sind erheblich: 20% Tod in den ersten 4 Wochen, 80% bleibende Schäden.
Die Behandlung ist medikamentös (durch eine Thrombolyse in den ersten 4 Stunden versucht man, das Blutgerinnsel aufzulösen) und/oder operativ (Entfernung des Blutgerinnsels durch einen Katheder).
Vorbeugen kann man einem Schlaganfall durch
- viel Bewegung und Sport
- mediterranes Essen statt Fastfood
- nicht Rauchen
- Zucker und Salz meiden
In der Diskussion wurden zahlreiche Fragen gestellt. Einige Fragen und Antworten sind hier genannt:
Frage: Ich habe ein CI und kann keine MRT-Untersuchung machen lassen. Antwort: Eine CT-Untersuchung ist ausreichend für die Diagnose eines akuten Schlaganfalls.
Frage: Ich hatte plötzlichen Schwindel und Ohnmacht. Kann das Symptom eines Schlaganfalls sein?Antwort: Schwindel und “Sternchen sehen” sind keine typischen Symptome. Eine Ohnmacht kann bei hörgeschädigten Menschen auch durch das Gleichgewichtsorgan verursacht sein. Die Ursachen von Schwindel soll man in Spezialzentren abklären lassen, z.B. im Westdeutschen Schwindelzentrum Essen.
Frage: Kann die Neigung zu Schlaganfällen vererbt werden?Antwort: Ja, eine genetische Veranlagung zu Bluthochdruck und hohen Cholesterinwerten ist möglich. Bei Verdacht soll man sich regelmäßig beim Internisten oder Kardiologen untersuchen lassen.

Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Julia Beer, Bastienne Blatz (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos:
Kofoteam

Vegan leben?
Benedikt J. Sequeira Gerardo (Berlin)

Es ist schon 3 Jahre her, dass Benedikt („bengie“) das letzte Mal auf der Kofobühne stand. Höchste Zeit, unseren ehemaligen Moderator wieder nach Essen zu holen. Mit ca. 80 ZuschauerInnen war die Veranstaltung gut besucht.
Zunächst erklärte der Referent den Unterschied zwischen vegetarisch (Verzicht auf Fleisch und Fisch) und vegan (Verzicht auf alle tierischen Produkte). Eine rein vegane Lebensweise bedeutet auch, keine Kosmetika zu benutzen, für deren Herstellung Tierversuche durchgeführt wurden; keine Woll- oder Lederkleidung zu tragen, auf Zirkus- und Zoobesuche zu verzichten. Eine 100% vegane Lebensweise ist allerdings kaum möglich.
Benedikt betonte, dass vegane Ernährung keine Ernährungseinschränkung bedeutet. In gut ausgestatteten Supermärkten gibt es immer mehr Angebote. Als Beispiel nannte er Milch: Tierische Milchsorten gibt es nur wenige: Kuhmilch, Ziegenmilch, Schafsmilch. Das vegane „Milch“ –Angebot ist da vielfältiger: Sojamilch, Hafermilch, Kokosmilch, Mandelmilch, Reismilch….
Interessant ist der kulturelle Aspekt: Welches Fleisch verzehrt wird – und ob überhaupt Fleisch verzehrt wird – ist kulturell und religiös sehr unterschiedlich. In unserem Kulturkreis isst man kein Katzen-, Hunde- und Insektenfleisch – in asiatischen Kulturen schon. Bei uns wird dagegen viel Schweinefleisch verzehrt, obwohl Schweine zu den intelligentesten Tieren zählen. Unseren Fleischkonsum empfinden wir als „normal“, obwohl dahinter – wie der Referent es bezeichnet – ein „unsichtbares Glaubenssystem“ steckt und große Teile der Weltbevölkerung sich völlig anders ernähren. Auch der Verzehr von Milchprodukten ist weltweit sehr unterschiedlich. 75% der erwachsenen Weltbevölkerung vertragen (genetisch bedingt) keinen Milchzucker und müssen sich deshalb ohne Milchprodukte ernähren.
Als wichtige Ziele für eine vegane Lebensweise nannte Benedikt:
- Tierschutz (industrielle Tiermast, Milch- und Eierproduktion ist Tierquälerei und auch für den Menschen schädlich)
- Sicherung der Welternährung (Ein Großteil der Weltgetreideernte wird für die Tiermast benötigt)
- Klimaschutz (Die Produktion von 1 kg Rindfleisch verursacht so viel klimaschädliche Gase wie eine Autofahrt quer durch Deutschland)
- Schutz der Wasserressourcen (Zur Produktion von 1 kg Käse benötigt man 5 Tonnen Wasser).
In der anschließenden Diskussion bekam der Referent viel Lob für seinen wunderbar anschaulichen und informativen Vortrag. Es wurden aber auch einige kritische Aspekte genannt. Benedikt antwortete ausführlich, die Antworten sind hier nur in Kürze wiedergegeben:
- Viele vegane Lebensmittel enthalten Zusatzstoffe, damit sie so schmecken wie Wurst oder Käse.
- Man muss sich sehr bewusst ernähren, damit der Körper mit wichtigen Vitaminen (z.B. B12) und Mineralstoffen versorgt wird. (Es gibt widersprüchliche Forschungsergebnisse, er selbst hat nach 5 Jahren veganer Ernährung keine Mangelerscheinungen)
- Der Partner muss mitmachen, wenn man einen gemeinsamen Haushalt führt. (Ja, in einer Partnerschaft können unterschiedliche Einstellungen schwierig sein; das ist bei ihm nicht der Fall)
- Eine vegane Lebensweise kann von Kindern als Einschränkung erlebt werden und das Familienleben belasten. (Die Familienerfahrung fehlt ihm noch – seine Familie würde zu Hause vegan leben, aber keinen Zwang auf die Ernährung der Kinder außer Haus ausüben)
- Auch mit einer streng artgerechten Tierzucht und deutlich weniger Fleischkonsum kann man Klima und Tiere schützen. (Ja, man kann die oben genannten Ziele auf unterschiedlichen Wegen erreichen)
- Vegane Ernährung ist teuer. (Ja, aber die Politik subventioniert Fleisch- und Milchprodukte. Eine Diskussionsteilnehmerin wies noch darauf hin, dass viele Deutsche beim Auto nicht sparen, aber bei der eigenen Ernährung).
Zum Schluss betonte der Referent, dass er niemandem seine Lebens- und Ernährungsweise vorschreiben wolle. Diese tolerante Einstellung ist sehr sympathisch, denn so sind auch Menschen willkommen, die schrittweise eine Änderung des Gewohnten versuchen wollen oder nicht alle Überzeugungen teilen.

Moderation:
Katrin Müller
Gebärdensprachdolmetschen:
Maggie Meisen, Bastienne Blatz (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos:
Ingo Langner

Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben für Menschen mit Sinnesbehinderung
Leitung und MitarbeiterInnen des KSL Essen stellen das Angebot vor

Seit einem Jahr arbeitet das KSL für Menschen mit Sinnesbehinderung im Haus der Technik in Essen, aber Zielsetzung und Angebote sind noch nicht überall bekannt. Wir haben uns deshalb gefreut, dass die Leitung des Zentrums, Alexandra Janaszek und ihr gesamtes Team unserer Einladung gefolgt sind. Frau Janaszek stellte kurz das Projekt vor: Einzugsgebiet ist NRW, die Projektdauer zunächst bis 2019, es gibt 3 Fachbereiche: Hören (Doris Bednarek), Sehen (Lisa Stiller) und Taubblind (Melanie Wegerhoff).
Doris Bednarek erklärte anschließend ausführlich Zielsetzung und Projekte des Kompetenzzentrums. Zu diesen zählen u.a. eine Checkliste für Barrierefreie Veranstaltung und für die Durchführung barrierefreier Wahlen, die Information über barrierefreie Notrufsysteme, die Sensibilisierung von Beamten in Ausbildung für die Kommunikationssituation sinnesbehinderter Menschen und Hilfestellung bei der Beantragung des Persönlichen Budgets. Es war ein sehr lebendiger Vortrag und man staunte, wie viele wichtige Projekte das KSL bereits in Angriff genommen hat. Wichtig ist auch die Netzwerkarbeit, um eigene Projekte mit bereits bestehenden zu verknüpfen.
In der anschließenden Diskussion konnten noch viele Fragen beantwortet werden.
Ein Blick in die Website des KSL-MSi-NRW lohnt sich, hier kann man auch Formulare und Broschüren herunterladen, die auf der Veranstaltung auslagen:

Moderation:
Ralf Kirchhoff
Gebärdensprachdolmetschen:
Maggie Meisen, Julia Beer (Skarabee)
Schriftdolmetschen:
Cornelia Krajewski, Mario Kaul
Fotos:
Ingo Langner
